Anfang März hat es sogar im Rheinland ein bisschen geschneit.

 

Zwei Familien wohnen nun im Umsiedlungsort. Die zukünftige Grünanlage ist vorbereitet, neben dem asphaltierten Weg wird es einen künstlichen Wasserlauf geben als Reminiszenz an die Wassergräben im alten Ort.

In Keyenberg wächst die Anzahl der Leerstände stetig weiter, sie verunzieren das Dorfbild aber noch nicht signifikant.

Die Geschäfte leiden schon seit geraumer Zeit nicht nur unter den weniger werdenden Kunden aus Keyenberg, sondern auch unter dem Verschwinden der Kunden aus ehemaligen Nachbarorten.

 

 

Juli.

Im Ersatzort wohnen nach meinem Eindruck inzwischen an die 10 Familien.

Eines der Keyenberger Ortsschilder ist abhanden gekommen - ob es wohl nochmals montiert wird?

Auffallend  finde ich dieses Mal, dass vor etlichen Häusern große Abfall-Container stehen. Diese Container werden Umsiedlern von RWE im Rahmen ihrer Umzugsunterstützung zur Verfügung gestellt für Dinge, die im neuen Zuhause überflüssig sind.

Das Haus, in dessen Vorgarten im März noch ein Schneemann gebaut wurde, hat nun auch einen zugeklebten Briefkastenschlitz.

 

Und das wiedererbaute Teilstück der A44 zwischen den Kreuzen Jackerath und Holz wurde (zunächst nur in Fahrtrichtung Norden) freigegeben. In absehbarer Zeit wird also das Teilstück der A61 zwischen Jackerath und Wanlo, das jetzt noch schützend zwischen dem "Loch" und Keyenberg liegt, zurückgebaut werden können.

 

 

Oktober.

Kürzlich war ich bei einer Autorenlesung, auf der Helga Koster ihre Lyrik "Meine Heimat" vorgetragen hat. Ich musste dabei unwillkürlich an das Ehepaar Sch. denken, das ich im Aug. 2017 zum ersten Mal traf.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Als ich mir erstmals den Keyenberger Friedhof genauer ansehe, treffe ich auf das wenige Monate alte Urnengrab von Frau Sch. Sie hatte zwar ihre Krankheit erwähnt. Aber so schnell? Ich kann es kaum fassen.

Bald wird ihre Beerdigung erneut stattfinden, wenn die Umbettungen auf den neuen Friedhof vorgenommen werden.

 


Die Ortsschilder sind wieder komplett! Aber ich bin ziemlich erschrocken darüber, dass nach meinem Eindruck schon mindestens ein Drittel der Häuser nicht mehr bewohnt ist. Und manche Häuser werden bereits von ihren Wasser- und Stromanschlüssen getrennt.

In einer Seitenstraße, die von Leerständen besonders betroffen ist, komme ich mit einer Frau ins Gespräch. Sie und ihr Mann wollten eigentlich so lange wie möglich in Keyenberg wohnen bleiben, aber fühlen sich zunehmend unwohl zwischen den vielen, leeren Häusern, in denen kein Licht mehr angeschaltet wird und die zum Teil durch die runtergelassenen Rollläden so bedrückend aussehen. Daher wird das Ehepaar gemeinsam mit der Tochter schon im nächsten Jahr den Neubau im Ersatzort in Angriff nehmen. Die Dame freut sich zwar, dass zehntausende Menschen für "Hambi" auf die Straße gehen, ist aber auch sehr enttäuscht darüber, dass am Befinden der Menschen, die unter der Zerstörung ihrer Heimat leiden, vergleichsweise wenig Anteil genommen wird.

 

Im Ersatzort leben inzwischen rund 20 Familien.

Das mittlerweile gesperrte Teilstück der A61 zwischen Jackerath und Wanlo wird bald dem Loch weichen.

 

 

November.

Ich bin wenige Tage nach dem zweiten von Michael Zobel initiierten Dorfspaziergang in Keyenberg. Das Fotografieren steht dieses Mal nicht im Vordergrund, sondern Gespräche mit Personen, die mir begegnen und die ich dazu befrage, wie sie zu diesen Dorfspaziergängen stehen.

Eine Dame fühlt sich wegen der damit einhergehenden Unruhe gestört, ein Herr begrüßt diese Protestaktionen dagegen sehr.

Drei weitere Gesprächspartner fühlen sich zwar nicht belästigt, aber nach deren Einschätzung kommen für Keyenberg diese Aktivitäten ca. 10 Jahre zu spät. Sie wollen die Umsiedlung so bald wie möglich hinter sich bringen, um dann wieder einen normalen Alltag leben zu können.

Der Pfarrer hielt sich übrigens wie schon beim ersten Dorfspaziergang auch beim zweiten Mal an die regulären Öffnungszeiten der Kirche, so dass sie für die Spaziergänger verschlossen blieb, und die Küsterin hat nun das Symbol der Tagebaugegner in Form eines gelben Andreaskreuzes vor ihrer Haustüre stehen. Mein Eindruck ist, dass dies die Zerrissenheit und die Gräben innerhalb der Dorfgemeinschaft ziemlich treffend repräsentiert.

 

In Keyenberg (neu) war ich dieses Mal nicht.

 

Das gesperrte Teilstück der A61 erinnert mich an einen autofreien Sonntag.

Und den Tagebau sehe ich mir wieder an.

 

 

 

Dezember.

Dieses Mal schaffe ich es nicht nach Keyenberg, sondern besuche nur den Ersatzort, in dem für die dort bereits wohnenden Umsiedler das erste Weihnachtsfest im neuen Heim vor der Tür steht.

Auf öffentlichem Grund steht kein geschmückter Christbaum, aber viele der bereits bewohnten Häuser bzw. Gärten sind natürlich weihnachtlich dekoriert.

Im zukünftigen Wassergraben der Grünanlage hat sich stellenweise schon ein wenig Wasser angesammelt.